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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.06.2003
Aktenzeichen: 1 B 442/03
Rechtsgebiete: GG, LBG NRW, LVO, VwGO
Vorschriften:
GG Art 33 Abs. 2 | |
LBG NRW § 25 Abs. 4 | |
LVO § 10 Abs. 1 | |
LVO § 10 Abs. 4 Satz 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6 |
Zur Bedeutung der Bezeichnung des Statusamtes neben der Funktionsbezeichnung für die ausgeschriebene Stelle in diesem Zusammenhang (mit dem Anforderungsprofil).
Tatbestand:
Der Antragsteller - ein Regierungsamtmann - und der Beigeladene - ein Regierungsoberinspektor - hatten sich auf eine im Justizministerialblatt NRW ausgeschriebene Stelle eines Regierungsamtsrats/-rätin - Verwaltungsleiter/-in - bei einer Justizvollzugsanstalt beworben. Der Beigeladene wurde im Wesentlichen deshalb ausgewählt, weil nur er dem Anforderungsprofil der Stelle entspreche und er ausweislich der über ihn erstellten Anlassbeurteilung auch unter Berücksichtigung des inne gehabten Statusamtes leistungsstärker und besser geeignet sei. Der einstweilige Rechtsschutzantrag des Antragstellers hatte in erster Instanz Erfolg, weil das VG zugrundelegte, dass die Benennung des Statusamtes in der Ausschreibung, die neben der Funktionssbezeichnung des Dienstpostens erfolgt war, das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festlege, welches der Beigeladene insoweit nicht erfülle. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wurde der Antrag insgesamt abgelehnt.
Gründe:
Die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe bieten Anlass zur Änderung des angefochtenen Beschlusses. Dem tragenden Ansatz des VG, der Beigeladene erfülle als Regierungsoberinspektor nicht die der Ausschreibung im Justizministerialblatt zu entnehmenden statusrechtlichen Voraussetzungen zur Besetzung der streitigen Stelle, vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Auswahl des als Regierungsoberinspektor nach BesGr. A 10 BBesO besoldeten Beigeladenen enthält nicht bereits deswegen eine Verletzung des so genannten Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers, weil ihm das ausgeschriebene und nach BesGr. A 12 BBesO bewertete Amt eines Regierungsamtsrats wegen des Verbots der Sprungbeförderung (§ 25 Abs. 4 LBG NRW, § 10 Abs. 1 LVO) derzeit und auch nach einer Erprobung auf dem höher bewerteten Dienstposten (§ 10 Abs. 4 Satz 1 LVO) nicht unmittelbar bzw. sofort übertragen werden könnte. Ein Dienstposten kann grundsätzlich ebenso wie eine Planstelle unterbesetzt und damit von einem Stelleninhaber bekleidet werden, dessen statusrechtliches Amt der Bewertung des Dienstpostens nicht oder noch nicht entspricht. Dies findet seine Grundlage in der weiten personalpolitischen und organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22.7.1999 - 2 C 14.98 - , NVwZ-RR 2000, 172, sodass von daher die Auswahl des Beigeladenen grundsätzlich im Rahmen des rechtlich Zulässigen liegt. Diese Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn schließt es nämlich mit ein, einen Beamten zumindest vorübergehend im Wege der Unterbesetzung auf einer im Haushaltsplan ausgebrachten höherwertigen Planstelle zu führen. Ob dabei die Vorschriften des Haushaltsrechts eingehalten werden, vermag die subjektive Rechtsstellung des gegebenenfalls konkurrierenden Bewerbers betreffend seinen Anspruch auf Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese in verfahrensmäßiger wie inhaltlicher Hinsicht nicht zu berühren.
Anderes gilt im gegebenen Fall auch nicht mit Blick darauf, dass der Antragsgegner die streitbefangene Stelle in bestimmter Weise ausgeschrieben und mit einem Anforderungsprofil versehen hat. Zutreffend ist zwar, dass das anlässlich einer Stellenausschreibung festgelegte Anforderungsprofil eines Beförderungsdienstpostens innerhalb des Auswahlverfahrens für die Auswahlentscheidung des Dienstherrn verbindlich bleibt, auch wenn er das Verfahren aus sachlichem Grunde abbrechen und damit eine Bindungswirkung (für ein weiteres Auswahlverfahren) beseitigen könnte.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58; OVG NRW, Beschluss vom 5.4.2002 - 1 B 1133/01 -, NVwZ-RR 2003, 52.
Es ist hier aber nicht erkennbar, dass der Ausschreibungstext
"1 RegAmtsrat/-rätin - Verwaltungsleiter/in - b.d. JVA XXX - das Anforderungsprofil kann unmittelbar b.d. JVA XXX angefordert werden-"
in Zusammenhang mit dem in Bezug genommenen Anforderungsprofil den Bewerberkreis auf solche Beamte einschränkt, die im Wege der Beförderung - gegebenenfalls nach einer Erprobungszeit - oder infolge Versetzung das Statusamt eines Regierungsamtsrats auf dem entsprechend bewerteten Dienstposten unmittelbar bekleiden könnten. Eine derartige Beschränkung, welcher der Antragsteller im Gegensatz zu dem Beigeladenen genügen würde und auf die er sich gegebenenfalls zum Nachteil des Beigeladenen mit Erfolg berufen könnte, ist angesichts der weiten personalpolitischen und organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn zwar ebenso möglich wie der umgekehrte (Grund-) Fall, nämlich die Zulassung einer gewissen Bandbreite verschiedener Statusämter für einen Dienstposten unter Einschluss der Unterbesetzung. Eine Beschränkung des Bewerberkreises im erstgenannten Sinne muss indes der Ausschreibung, die - wie hier - um ein in Bezug genommenes Anforderungsprofil ergänzt werden kann, wegen der weitreichenden Bindungswirkung derartiger Festlegungen für den Dienstherrn, der daran anknüpfenden erweiterten Kontrollbefugnis des Gerichts, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14.5.2002 - 1 B 40/02 - und vom 5.4.2002 - 1 B 1133/01 - und der Auswirkungen auf den Bewerbungsverfahrensanspruch sowie nicht zuletzt wegen des Ausnahmecharakters einer solchen Festlegung bei objektiver Auslegung hinreichend klar zu entnehmen sein. Daran fehlt es.
Dem Dienstposten des Verwaltungsleiters bei der Justizvollzugsanstalt ist eine konkrete, gemäß der Amtsbezeichnung nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewertete Planstelle zugeordnet. Wie sich aus dem Stellenbesetzungsvorgang ergibt, wurde diese Planstelle vorzeitig frei und ist - vorbehaltlich der vorübergehenden allgemeinen Stellenbesetzungssperre - erneut besetzbar. Sie sollte als Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO der Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes dem Dienstposten eines Verwaltungsleiters der Justizvollzugsanstalt zugeordnet bleiben und ausgeschrieben werden. In dem Wortlaut der später veröffentlichen Ausschreibung kommt diese verwaltungsinterne Absicht unzweifelhaft zum Ausdruck. Dass eine Unterbesetzung ausgeschlossen sein sollte, ist dem Wortlaut der Ausschreibung jedoch nicht zu entnehmen. Dass in der Ausschreibung die Amtsbezeichnung und der Dienstposten nebeneinander genannt werden, beinhaltet ebenso wie die Reihenfolge der Benennung - "RegAmtsrat/-rätin - Verwaltungsleiter/in - " - keine klare Festlegung. Aus dem in Bezug genommenen Anforderungsprofil ergibt sich dagegen eher, dass die Zugehörigkeit des Bewerbers zum gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst genügen soll. Demgegenüber fehlen besondere Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, gleichwohl anzunehmen, dass mit der Erwähnung des in Rede stehenden Statusamtes in der Ausschreibung eine darüber hinaus gehende Beschränkung des Bewerberkreises auf solche Beamte beabsichtigt gewesen sein könnte, die innerhalb dieser Laufbahn ein bestimmtes, die unmittelbare (Erprobung eingeschlossen) Beförderung ermöglichendes Amt erreicht haben müssten. Vielmehr genügt es nach dem Anforderungsprofil - nach den "Muss-Anforderungen" -, ein Amt dieser Laufbahn inne zu haben; aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen sind damit etwa Beamte, die zuvor noch den Aufstieg aus der Laufbahn des mittleren Dienstes zu absolvieren hätten (§ 30 LVO).
Die Entscheidung des VG erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. An dieser Prüfung ist der Senat nicht durch die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gehindert, nach der das Oberverwaltungsgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nur die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe prüft. Der Sinn und Zweck der Regelung in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, die in engem Zusammenhang mit dem Begründungs- und Darlegungserfordernis der Sätze 1 bis 3 des § 146 Abs. 4 VwGO steht, liegt unter Berücksichtigung dessen Entstehungsgeschichte darin, den Beschwerdeführer zu veranlassen, alle aus seiner Sicht gegen die erstinstanzliche Entscheidung sprechenden Gesichtspunkte fristgerecht vorzutragen und so den Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts einzuschränken. Dieses soll bei seiner Prüfung, ob die Entscheidung des VG Bedenken unterliegt, auf die mit der Beschwerde - fristgerecht - vorgebrachten Gründe beschränkt sein. Diese an die fristgerechte Darlegung des Beschwerdeführers geknüpfte Beschränkung des Prüfungsumfangs erstreckt sich - entgegen des insoweit offenen Wortlauts des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - indes allein auf die Gesichtspunkte, aus denen sich die Entscheidung - aus der Sicht des Beschwerdeführers - als unrichtig erweisen soll, nicht hingegen auf die Gründe, aus denen die Entscheidung - tatsächlich - richtig ist. Insofern steht dem Beschwerdegericht eine umfängliche Kontrollbefugnis zu. Der Beschwerde ist daher nicht bereits dann stattzugeben, wenn die vom Beschwerdeführer angebrachten Bedenken gegen die Entscheidung durchgreifen. Das Beschwerdegericht hat vielmehr bei Vorliegen dieser Voraussetzungen in einem weiteren Schritt - ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - anhand der für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden allgemeinen Maßstäbe zu prüfen, ob dem Antragsbegehren zu entsprechen ist. Dabei ist es nicht gehindert, auch Gesichtspunkte in die Prüfung einzustellen, die das VG in seiner angefochtenen Entscheidung nicht behandelt bzw. abschließend entschieden hat.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2002 - 1 B 241/02 -, NVwZ-RR 2003, 50.
So liegen die Dinge hier. Dem Antrag des Antragstellers war nicht zu entsprechen, weil es für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Im Rahmen des Anordnungsanspruchs kommt es in Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Übertragung eines Beförderungsdienstpostens regelmäßig darauf an, ob es nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich ist, dass die von dem Dienstherrn getroffene Auswahl- oder Beförderungsentscheidung zu Lasten des jeweiligen Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Dabei wird für den Regelfall zugrunde gelegt, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch, der vor allem das Recht beinhaltet, dass u. a. im Falle von Bewerbungskonkurrenzen insbesondere um Beförderungen die Auswahl in Beachtung der durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungskräftig verbürgten, für Landesbeamte in §§ 7 Abs. 1, 25 Abs. 6 Satz 1 LBG und § 2 LVO einfach gesetzlich konkretisierten Grundsätze der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) vorgenommen wird, grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig ist.
Die Ausrichtung der Auswahlentscheidung an diesen Grundsätzen schließt ein, dass die Entscheidung die gegebenenfalls aufgestellten Qualifikationsmerkmale - das Anforderungsprofil - berücksichtigt sowie unter denjenigen Bewerbern, die das Anforderungsprofil erfüllen, einen grundsätzlich verfahrensrechtlich richtig an Regel- oder Bedarfsbeurteilungen anknüpfenden Bewerbervergleich vornimmt. Hat der Dienstherr ein Anforderungsprofil bestimmt, werden regelmäßig die Kriterien - und in gewissen Umfang auch die Prüfungsreihenfolge - verbindlich festgelegt, anhand derer sich die Bewerberauswahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG im konkreten Fall orientieren soll.
Vgl. zur Verknüpfung von Anforderungsprofil und Grundsatz der Bestenauslese in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, a.a.O.
Ob der Dienstherr die von ihm selbst gesetzten Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt dabei der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Nur unter dieser Voraussetzung bleibt es der gerichtlich eingeschränkt überprüfbaren Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst.
Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 5.4.2002 - 1 B 1133/01 -.
Das hier zur Überprüfung stehende Auswahlverfahren wird den genannten Anforderungen gerecht. Der Antragsgegner hat mit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen die Qualifikationsmerkmale hinreichend berücksichtigt, die er selbst für die Besetzung des Beförderungsdienstpostens aufgestellt hat. Das in der Ausschreibung in Bezug genommene Anforderungsprofil umfasst eine Liste von so genannten "Muss-Anforderungen" und so genannten "Soll-Anforderungen", die der Beigeladene bereits jetzt weitestgehend erfüllt. Dies ergibt sich aus dem ausführlichen textlichen Inhalt der über ihn erstellten Beurteilung, der der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes beigetreten ist. Darüber hinaus hat Letzterer diese Anlassbeurteilung in Kenntnis des Anforderungsprofils mit der Eignungsaussage abgeschlossen, dass der Beigeladene für das angestrebte Amt als Verwaltungsleiter der Justizvollzugsanstalt besonders geeignet (obere Grenze) sei. In dem Auswahlvermerk hat sich der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes auch den Besetzungsvorschlag der Anstaltsleitung zu Eigen gemacht und auf die aus der Beurteilung ersichtliche Eignungsaussage abgestellt. Darüber hinaus hat er festgestellt, dass der Beigeladene selbst unter Berücksichtigung seines geringeren Statusamtes besser beurteilt sei als der Antragsteller. Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser Bewertung sprechen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Er hat vielmehr eingeräumt, dass dem Beigeladenen eine bessere Leistungsnote und Eignungsaussage als ihm selbst erteilt worden ist und sich auf das Vorbringen beschränkt, die ausgeschriebene Stelle könne mit dem Beigeladenen aus statusrechtlichen Gründen nicht besetzt werden. Ob die dem Antragsteller und die dem Beigeladenen erteilten (Leistungs-) Beurteilungen tatsächlich vergleichbar sind und ob der Beigeladene insoweit tatsächlich einen Vorsprung aufzuweisen hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn eine - durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufung der Qualifikation kann erst Bedeutung erlangen, wenn mehrere Bewerber allen für das Auswahlverfahren maßgeblichen Anforderungen genügen, die aus dem Anforderungsprofil erkennbar sind. Dies ist hinsichtlich des Antragstellers nicht oder zumindest nicht in gleicher Weise wie bei dem Beigeladenen der Fall. Dem Antragsteller ist mit Blick auf das angestrebte Amt eine Eignungsaussage erteilt worden, die eine ganze Notenstufe schlechter als die über den Beigeladenen abgegebene Eignungsaussage ausgefallen ist. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass diese Einschätzung - gemessen an dem Anforderungsprofil - fehlerhaft sein könnte.
Ende der Entscheidung
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